Ich hab‘ noch 5 Minuten, da kann ich noch schnell… – wie sich ADHS-Menschen damit selbst Stress machen

​... z.B. diesen kurzen Blogbeitrag lesen, ich habe ihn extra kurz gehalten ;-)

​Stellen Sie sich folgendes vor: Sie haben einen Termin, aber der ist in 5 Minuten, bzw. Sie müssen sich in 5 min dafür fertig machen, wenn Sie pünktlich sein wollen.​

Ihr Blick fällt auf die Uhr und Ihr Gehirn denkt sofort: "Ich hab' noch 5 Minuten, da kann ich noch schnell..."

​Mal ehrlich, das denken nicht nur ADHS-Menschen, sondern ganz einfach die allermeisten anderen Menschen auch.

Wir haben es immer eilig. Immer müssen wir noch etwas schaffen. Immer müssen wir die "Zeit sinnvoll nutzen".

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Wie Sie 5 Minuten "sinnvoll" nutzen können

​Na gut, dann schauen wir einmal, was man denn eigentlich in 5 Minuten alles schafft.

Und hier unterscheiden sich ADHS-Menschen aufgrund ihres meist schlechten Zeitgefühls nun doch von den anderen. Denn ADHS-Menschen haben oft gar kein Gefühl dafür, wie kurz 5 Minuten sind, und was man in dieser Zeit wirklich schaffen kann - und was nicht.

Da werden dann noch alle möglichen Dinge angefangen, die man glaubt in 5 Minuten zu schaffen. Was aber gar nicht geht.

Und schon ist man (wieder) zu spät.

Aber um Pünktlichkeit geht es in einem anderen Beitrag.

Hier geht es jetzt um die 5 Minuten, die Sie gerade noch haben, bevor Sie...

​Also los, was ist in 5 Minuten möglich:​

Die folgenden Dinge sind ENTWEDER - ODER. Jeweils nur eins davon in 5 Minuten, nicht alle zusammen ;-)

* die Wäsche in die Waschmaschine stecken und die Maschine anstellen
* eine Email mit einer einfachen und kurzen (!) Antwort beantworten
* das herumstehende Geschirr in die Küche bringen
* eine Überweisung machen
* den Mietwagen buchen (aber nur, wenn Sie nicht erst noch alles recherchieren müssen)
* herumliegende Kleidungsstücke in die Wäsche oder das Schlafzimmer bringen
* den Emailposteingang durchsehen und löschen, was zu löschen ist (NUR die Betreffs lesen, NICHT in die Emails klicken!)
* die Spülmaschine ausräumen
* den Urlaubsantrag ausfüllen für den Chef
* Arbeitsplatz frei räumen und den PC herunterfahren
* etc.

​Sie sehen schon, das ist nicht viel. Überschätzen Sie die 5 Minuten nicht und unterschätzen Sie die Dauer von Dingen nicht.

Was Sie in diesen 5 Minuten lieber NICHT machen sollten

​- facebook checken
- Emails im Posteingang lesen
- ein Nachrichtenportal öffnen
- einen Anruf tätigen
- etc.

​Warum nicht? Weil das Dinge sind, in die man sehr leicht "hineingesogen" werden kann. Und ADHS-Menschen mit ihrer Veranlagung zur Impulsivität sind hier leicht gefährdet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie dann länger damit beschäftigt sind als die 5 Minuten. Und dann sind Sie schon wieder zu spät.

Was Sie in diesen 5 Minuten aber stattdessen auch gut machen können

​Ich habe einen ganz anderen Vorschlag für Ihre 5 Minuten.

Wie wär's, wenn Sie sich angewöhnen, sich in diesen 5 Minuten keinen Stress zu machen, noch etwas "Sinnvolles" zu tun, noch eben schnell das und das zu erledigen?

Was für eine Hektik! Muss doch gar nicht sein, oder?

Wie wäre es, wenn Sie sich angewöhnen, diese 5 Minuten zur Erholung, zum Genuss, zur Pause zu nutzen?

​Das könnte z.B. so aussehen:

​> einfach mal nur innehalten (stehen bleiben, sich hinsetzen, atmen, zu sich kommen)
​> tief durchatmen und dabei einen Moment der Ruhe wahrnehmen
​> runterfahren, sich innerlich sortieren und sich selbst beruhigen
​> aus dem Fenster schauen
​> sich auf sich selbst besinnen und einen "Status-Check" machen (wie geht es mir gerade? muss ich auf die Toilette? brauche ich etwas zu trinken? sind meine Schultern locker? ...)
​> in Ruhe (!) ein Glas Wasser trinken
> ein Stück Obst essen
​> ein paar Dehnübungen machen und sich strecken
​> ​mental einen Kurz-Urlaub machen (kennen Sie "Fensterblick-Bilder"? eine sehr lohnende Anschaffung!)
> etc.

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​Das fällt Ihnen schwer?

Ein klarer Indikator dafür, dass es sich lohnt, genau das ab jetzt zu üben:

"Ich hab noch 5 Minuten, was mache ich jetzt?" - "Ich mache Pause, ich halte inne, ich fahre runter, ich nehme wahr, ich genieße den Stopp-Moment"

​So, mein Beitrag ist zu Ende, jetzt sind Sie dran, sich zu überlegen, was Sie das nächste Mal mit Ihren ​5 Minuten machen werden.

​Alles Gute und herzliche Grüße
Birgit Boekhoff

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  1. Ich habe selbst ADAS in der ruhigen Form, also nicht Hyperaktive. Bin in den 60iger Jahren geboren und daher wusste man in meiner Schulzeit noch nichts von diesem Problem, dieser Diagnose.
    Aber ich habe mich irgendwie durchgewurschtelt… im Laufe der Jahre habe ich mir selbst Lösungen gefunden, um mit dieser Einschränkung zurecht zu kommen.
    Beim Lesen und durcharbeiten von schwierigen Texten höre ich sehr gerne Musik, mal ruhige, mal fetzige, dann bleibt bei mir am Meisten hängen, wenn ich Vorträgen zuhöre, stricke ich oder Spiele Karten auf dem iPad wenn ich zu Hause bin, bisher habe ich noch nichts gefunden, was ich machen kann, wenn ich unter Menschen bin, denn dann bekomme ich bei den Vorträgen fast nichts mit. Vielleicht haben Sie ja eine Idee…. Vielen Dank für diese tolle Seite, Ihnen weiterhin alles Gute.
    Grüße

  2. Tut mir leid aber wenn ich 5 min habe, kann ich auf gar kein Fall ruhig sitzen und warten. Also in dem Fall komme ich meistens zu früh, also wenn ich vor lauter Angst nicht zu spät zu kommen, nicht in falschen Verkehrsmittel steige und fahr genau umgekehrte Richtung und komme sowieso zu spät 🤔

  3. Superb von Ihnen, das wichtige Thema der 5 Minuten zu thematisieren…:-)
    DieseM wahrlich berauschende Gefühl der Motivation, das man als ADHS’ler oft durch Zeitdruck bekommt, sollte aber auch gehuldigt werden!

    Die Vorschläge sind wizig und passend, für Normalos, der ADHSĺer gerät auf der Scuher nach dem einen Socken der noch in die Maschine soll, oder beim kurzrecherchieren der Schreibweise eines Wortes für die Antwort oder dass beim Geschirreinsammeln ein Teller runterfällt ;-) gern in den Strudel eines unkalkulierbaren Geschehens.—;-)
    Ich finde den Ansatz des keien Hektik und einfach chillens nicht nur pädagogisch sinnvoll, sondern unglaublich entspannend!

  4. Ich bin so ein 5-Minuten Kandidat. Und deswegen komme ich immer zu spät. Der Artikel war daher quasi wie für mich geschrieben und sehr einleuchtend. Ich versuche mal… mit der 5-Minuten Pause. Stopp. Danke für den Impuls! GLG, Karo

  5. Erfahrungsgemäss habe ich bei der Hälfte der Aktionen, die angeblich in 5 Minuten hineinpassen, schon verloren… Aber meistens sind es nicht die letzten 5 sondern 10 oder sogar 15. Bei 5 gehe ich lieber einfach zu früh aus dem Haus, weil normalerweise muss ich eh immer rennen – da ist spazieren auch mal schön. Mrine Erfahrung ist, dass ich pünktlich bin, solange ich die Zeit knapp bemesse und nichts weiter Platz hat als die überlebenswichtigen Dinge. Je länger ich Zeit habe, desto mehr verliere ich mich in irgendwelchen Dingen. Da kann es dann schon mal passieren, dass ich nicht nur 5 Minuten sondern auch 2 Stunden zu spät bin…

    1. Hi Lilly, tja… das kenne ich auch. Das stimmt wirklich. Wenn ich 15 Minuten übrig habe, überschätze mich ebenfalls. Es scheint ein generelles Problem sein. Was bei 5 Minuten die kleine Pause sein kann, muss bei 15 Minuten Zeit eine andere Lösung sein. Da muss gescheites Zeitmanagement hin. Nur… egal wie gut ich es plane, komme ich zu spät :-(
      LG, Karo

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