ADHS und Weihnachten – Warum es gerade für ADHS-Menschen oft eine Stresszeit ist und wie es entspannter werden kann

Wie geht es Ihnen mit Weihnachten? 

Diese Frage habe ich vor einigen Jahren meinen Newsletter-Lesern gestellt, da ich wissen wollte, ob Weihnachten auch - und vielleicht gerade - für Menschen mit ADHS ein besonderer Stress ist. Das Ergebnis dieser Umfrage können Sie sich wahrscheinlich denken. Sie sehen es weiter unten.

In diesem Beitrag zeige ich Ihnen die beiden Hauptgründe, weshalb die Weihnachtszeit für Menschen mit ADHS oft besonders stressig ist und ich gebe Ihnen drei Tipps an die Hand, wie es dieses Jahr stressfreier und schöner für Sie werden kann. 

Legen wir los...

Wie geht es Menschen mit ADHS mit Weihnachten?

Meine Newsletter-Leser sind hauptsächlich Erwachsene mit ADHS. Ca. 300 von ihnen hatten damals an der Umfrage teilgenommen und wie folgt geantwortet:

77 % sagten "es ist stressig, aber es geht" oder "es ist jedes Jahr schlimm" oder "dieses Jahr könnte es ausfallen".

23% sagten "ich habe damit kein Problem" oder "ich freue mich darauf".

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Für 77% der Umfrage-Teilnehmer war Weihnachten also eine mehr oder weniger negativ erlebte Zeit.

Wie würden Sie antworten?

▢ es ist stressig, aber es geht
▢ es ist jedes Jahr schlimm
▢ dieses Jahr könnte es ausfallen
▢ ich habe damit kein Problem
▢ ich freue mich darauf

Was stresst Menschen mit ADHS am meisten bzgl. Weihnachten?

Warum ist das eigentlich so? Was macht den besonderen Weihnachtsstress aus?

Sicherlich ist es so, dass Weihnachten nicht nur für Menschen mit ADHS eine stressige Zeit ist. Das geht wohl sehr vielen anderen auch so.

Aber dennoch birgt diese Zeit ganz besondere Herausforderungen für Menschen mit einer ADHS-Konstitution.

Rund um Weihnachten treffen zwei Dinge voll aufeinander, die dann den (meist sowieso schon vorhandenen Alltagsstress) verstärken:

1. Die ADHS-Konstitution

ADHS-Menschen sind aufgrund Ihrer Veranlagung besonders reizoffen, sensibel und emotional. D.h. sie nehmen viel mehr äußere Reize auf, als andere Menschen und sie spüren viel mehr die Stimmungen und Schwingungen der Menschen um sie herum.

Äußere Reize sind in der Weihnachtszeit massiv vermehrt: Überall blinkende Lichter, Gerüche, Musik, Glitzer und Glimmer, Menschen, Geschenke, Dinge, Angebote.

Und die Mitmenschen sind insgesamt hektischer, gestresster, angespannter. Das nehmen ADHS-Menschen seismografisch auf, quasi wie ein Gefühlsschwamm.

2. Die Situation

Rund um Weihnachten potenziert sich einiges, was im Alltagsleben an sich schon oft stressig ist:

* Termine (für Weihnachtsfeiern)
* Besorgungen (v.a. Geschenke)
* Erwartungen (es soll friedlich und geruhsam sein, die Familie soll zusammen kommen, man muss die passenden Geschenke haben, man will Geschenke bekommen, das Haus muss sauber sein, das essen muss lecker sein, etc.)
* Unruhe der Kinder (sie sind aufgeregt, emotional, dünnhäutiger als sonst)

Weihnachten ist eben stressig, was soll man da ändern...

Na gut. So ist es erstmal.

Und was kann man jetzt tun, um diesen Stress vielleicht doch etwas zu reduzieren? Kann man überhaupt etwas tun oder ist es nicht eben einfach so, wie es ist? Was soll man an dem ganzen Weihnachts-Thema denn schon ändern?

Man kann eine ganze Menge ändern. Sie können eine ganze Menge ändern.

Sie können Ihre Konstitution nicht ändern.

Aber Sie können sehr viel an Ihrer Situation ändern, an Ihren Erwartungen, wie Sie mit den Erwartungen der Mitmenschen umgehen, Sie können sich vor Reizüberflutung schützen, sich das Geschenke besorgen vereinfachen, und noch mehr.

Es muss nicht so stressig bleiben, wie es jetzt vielleicht für Sie ist.

Hier sind drei Tipps für Sie, wie Sie sich den Stress in der Weihnachtszeit reduzieren können.

Stress raus, Besinnlichkeit rein - 3 Tipps

Mit diesen drei Tipps wird es dieses Jahr ruhiger für Sie:

TIPP #1: Das "Müssen" hinterfragen

Was "müssen" Sie alles in der Weihnachtszeit? Oder besser gesagt: was glauben Sie, was Sie müssen?

  • ich muss allen etwas schenken
  • ich muss alle Termine wahrnehmen
  • ich muss tolle Geschenke machen
  • ich muss viele Geschenke machen
  • ich muss die Verwandten besuchen
  • ich muss immer friedlich und perfekt sein
  • ich muss immer im Kontakt sein 

Erlauben Sie sich dieses Jahr die Frage:

"Was wäre, wenn ich es nicht tue?"

🤔 Was wäre, wenn ich dieses Jahr nur den Menschen etwas schenke, denen ICH etwas schenken WILL?
🤔 Was wäre, wenn ich dieses Jahr NICHT zu allen Weihnachtsfeiern gehe?
🤔 Was wäre, wenn ich dieses Jahr KEIN Familien-Hopping mache? Oder wenn ich nach drei Stunden wieder fahre?

Ja, was wäre, wenn Sie das "Müssen", das Sie im Kopf haben, dieses Jahr hinterfragen würden?

TIPP #2: Erwartungen senken

Prüfen Sie die Erwartungen, die mit Weihnachten verknüpft sind. 

*  Was erwarten Sie von sich selbst? 

Dass Sie alles im Griff haben, was zu tun ist? Dass Sie trotz Stress und Reizüberflutung ruhig und gelassen bleiben? Dass Sie dieses Jahr NICHT ausrasten oder überlaufen? Dass Sie dieses Jahr die Geschenke RECHTZEITIG besorgt haben und niemanden vergessen haben?

*  Was erwarten die anderen von Ihnen?

Dass Sie mitkommen zur Firmenfeier? Dass Sie mitmachen beim Familien-Hopping? Dass Sie Ihre Emotionen im Griff haben und NICHT angespannt oder hektisch sind? Dass Sie trotz der ganzen Reizüberflutung positiv und reguliert sind?

Welche Erwartungen von sich selbst oder anderen können Sie dieses Jahr senken? Oder ganz streichen und einfach gar nicht bedienen? Und wäre das so schlimm?

Oder wäre es vielleicht sogar für alle Beteiligten gut, wenn Sie hier besser für sich sorgen würden, sich dadurch druckentlasten würden und dadurch ausgeglichener sein könnten?

TIPP #3: Gut für sich selbst sorgen

Rund um Weihnachten gibt es eine Menge Stolperfallen und Herausforderungen für neurodivergente Menschen - aber jede Herausforderung und Stolperfalle birgt auch die Chance, etwas zu lernen und besser zu machen. 

Hier sind ein paar Stellschrauben, an denen Sie drehen können, um sich dieses Jahr den Stress zu reduzieren und besser für sich zu sorgen. Prüfen Sie, welche davon für Sie noch Potenzial bergen: 

* sich vor Reizüberflutung schützen
* bei sozialen Kontakten ein passendes Maß finden, sich zurückziehen, abschotten
* sich vor Termindruck schützen
* mehr darauf fokussieren, was man selbst will und weniger, was man soll und was andere wollen
* sich vor Erwartungsdruck schützen
* zu den eigenen Bedürfnissen und Grenzen stehen
* etc.

Was sind Ihre Stellschrauben, an denen Sie drehen könnten? Fallen Ihnen noch weitere ein?

Machen Sie die Weihnachtszeit dieses Jahr zu IHRER Zeit!
Wie wäre es gut FÜR SIE?

Und wenn Sie weitere Tipps haben für eine stressfreiere und schönere Weihnachtszeit, dann teilen Sie diese gern in den Kommentaren.

Herzliche Grüße
Birgit Boekhoff

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  1. Danke, das ist ein schöner Input zu Weihnachten. Es tut schonmal gut, dass es so vielen Leuten ähnlich geht!
    Ich würde noch hinzufügen, dass bei ADHSlern oft schlechte Kindheitserfahrungen dazukommen. Wenn Weihnachten und Geschenke schon emotional negativ bis traumatisch abgespeichert ist, kommt das neue Weihnachten einfach in die gleiche Schublade (self-fullfilling-prophecy). Denn wenn ich es richtig verstanden habe, werden emotional stark besetzte Blitzerinnerungsmomente im ADHS-Gehirn ebenso wie die momentane friedliche Situation nebeneinander erlebt, werden gleich wichtig bewertet und als ebenbürtig real eingestuft. Die beiden Filme (und vielleicht noch mehr) legen sich dann einfach übereinander und kreieren die schwierige Erfahrung neu. Kann das sein? Ich bin keine Neurologin, nur Betroffene.
    Aber schön, dass man sich erlauben kann, sich einfach zurückzuziehen, auch wenn man vielleicht keine schlimme Kindheit hatte, sondern nur ein intensives inneres Erleben und das als schlimm wegen Überreizung und Perfektionismus erlebt. Danke, dass Sie so praktische Hilfe anbieten, und es ist ja wirklich komisch, warum man eine „schöne“ Zeit als Überforderung und sehr ambivalent und auch mit depressiven Einbrüchen erlebt. Vielen Dank!

    1. Liebe D.,
      ja, die früheren Erfahrungen kommen noch dazu. Ich hatte mal einen Klienten, der hat sich als Kind an Weihnachten immer übergeben. Einfach „nur“, weil er reizüberflutet und völlig überfordert war. Heute hat er einen Weg gefunden, dem Weihnachtsrummel gut zu entgehen. Aber damals wusste das niemand, dass sein Übergeben an der Überrreizung lag. Unsere Gesellschaft muss noch viel lernen…
      Herzliche Grüße
      Birgit Boekhoff

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